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Babylon Bayern

  • Autorenbild: Milaidin
    Milaidin
  • 27. Aug. 2019
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Okt. 2019

6 Tage, 7 Stunden und 49 Minuten nach meinem Rauchstopp sitze ich beim heimischen Stammitaliener. Meine App erklärt mir dienstbeflissen, dass Nichtraucherinnen einen regelmäßigeren Menstruationszyklus und deutlich seltener Regelschmerzen haben. Ein Glück, da habe ich ja diesbezüglich heute Abend nichts zu befürchten.


Als der Ober an den Tisch kommt, legt er mir und meinem – was für ein Wortspiel – Mitesser schweigend EINE Speisekarte auf den Tisch und verschwindet wieder im Off. Gut, lesen wir die Karte halt abwechselnd. Ist ja kein Problem, weil wir im Prinzip ohnehin schon wissen, was wir bestellen wollen. Etwas zu trinken zum Beispiel, aber immer, wenn der Kellner an uns vorbeihastet, schaut er beinahe zwanghaft in die andere Richtung.


Nach zehn durstigen Minuten fasse ich mir dann ein Herz: "Wir würden bitte gerne bestellen", versuche ich, den Ober an unseren Tisch zu locken, was auch klappt und seinerseits mit einem freundlichen "Zahle?" quittiert wird.


Hm, kreative Gegenfrage, zugegeben, aber eigentlich würden wir gerne erst bestellen, bevor wir bezahlen. Sollte er auf Vorauskasse bestehen, könnten wir das zwar einrichten, aber lieber wäre uns eigentlich eine Bezahlung per Nachnahme bzw. mit unserem guten Namen, in jedem Fall aber erst nach dem Essen.


"Äh, nein danke", entgegne ich her und wiederhole geduldig etwas langsamer und deutlich lauter: "WIR. WÜRDEN. BITTE. GERNE. BESTELLEN". Das macht man so in Bayern, wenn man von einem Ausländer und/oder Touristen nicht verstanden wird: denselben Satz LANGSAM und LAUT wiederholen. Wenn er's dann immer noch nicht versteht, sein Pech.


Aber unser wackerer Ober versteht mich – oder tut wenigstens so: "Si, certo", verkündet er mit einem stolzen Lächeln. "Gut", fange ich an zu bestellen. "Ich hätte bitte gerne die" – mein Blick fällt auf das verstörte Gesicht des Obers. "GARNELEN. IN. ÖL. UND. DANN. DIE. PENNE. MIT. SCAMPIS."


"Und für mich bitte EINE. PIZZA. DIAVOLA", höre ich meinen Tischgenossen sagen. Keine Reaktion seitens des Obers. Schade eigentlich, aber irgendwie nicht anders zu erwarten. Der arme Kerl versteht offensichtlich kein Wort. Wie auch. Wir sind schließlich beim Italiener und München ist die nördlichste Stadt des Römischen Reichs. Da spricht man eben Italienisch.


Wenigstens muss ich jetzt nicht mehr Hunderte von Kilometern nach Süden fahren, um an meinem Italienisch zu feilen ...


"Gamberetti aglio e olio e dopo Penne crema di Scampi per favore." Ich habe selten einen so erleichterten und glücklichen Ober gesehen ...

ree
Trotz Ober eine der besten Pizzerien der Gegend ... Quelle: Robert Böck

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