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  • AutorenbildMilaidin

Lockdown-Nephroliten

Ich weiß ja nicht, wie ihr da draußen es seht, aber mir geht dieser Lockdown langsam gehörig auf den Zeiger. Allerdings nicht, weil ich mich nicht mit irgendwelchen Honks treffen darf, auf die ich gerade ohnehin keine Lust habe, sondern wegen der Langeweile und Eintönigkeit, die sich langsam breitmacht. Klar hat es seinen Reiz, jeden Abend im heimischen Outdoor-Jacuzzi mit Pina und Colada einen Klafter Prosecco und Austern zu schlürfen, aber mit der Zeit nutzt sich das genauso ab, wie das Füllen des Ausgabeschachts eines Zigarettenautomaten mit Bauschaum oder das tägliche Training in meiner zur Tennishalle ausgebauten Tiefgarage. Man (und Fra) darf wegen dieser dämlichen 1-Personen-Regelung ja nicht mal Doppel spielen. Ein Scheiß ist das ...


Also habe ich mir überlegt, wie ich meiner latent schlechten Laune begegnen und mit einer Kombination aus zivilem Ungehorsam und Erfindungsgeist ein wenig Abwechslung in meinen zunehmend grauen Alltag bringen kann. Nach Prüfung verschiedener Optionen habe ich mich schließlich für die Mutter meines persönlichen Spaßempfindens entschieden:


Einen Nierenstein nebst Besuch in der örtlichen Notaufnahme um 21:35, also 35 Minuten nach Inkrafttreten der in Bayern zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Ausgangssperre!


Genial, oder? Was mit einem verträumten Ziehen in der Flanke beginnt und schneller zu einem nachgerade epochalen Schmerz anschwillt, als man "Scheißewasssolldasdennjetzt-Aua" sagen kann, ist meines Erachtens durch fast nichts zu toppen ... außer mit einer Geburt vielleicht, aber das war mir dann doch zu aufwendig. Und umso schöner ist es natürlich, wenn man vorher schon weiß, was einen in den nächsten Stunden erwartet.


Meinen ersten "Steinabgang", wie der aufgeklärte Arsch im Kittel den Vorgang nüchtern bezeichnen würde, hatte ich anno Bumsfiedel Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrtausends – das mit dem Jahrtausend wollte ich schon immer mal schreiben. Damals war ich noch Student mit entsprechendem Versicherungsschutz und erhielt in der Notaufnahme den lakonischen Rat: "Jetzt trinken Sie mal die ganze Nacht Weißbier und laufen Sie um Ihren Couchtisch, dann wird das schon wieder. Und urinieren Sie bitte in einen Kaffeefilter, damit Sie sehen, wann der Stein abgeht."


M-mh. Hat außer mir schon mal jemand versucht, in einen Kaffeefilter zu pinkeln? Ist definitiv einen Versuch wert. Besagter Filter ist nämlich von der internationalen galaktischen Filtergesellschaft so konzipiert, dass von oben Flüssigkeit in vergleichsweise geringer Menge zugeführt wird, die dann LANGSAM durch den Filter sickert, damit der auf diese Weise gebrühte Kaffee ein schönes Aroma bekommt. Soweit alles klar? Gut. Dann kippt jetzt spaßeshalber einfach mal schwallmäßig einen halben Liter Wasser in so einen Filter ... oder eben eine volle Blase, falls ihr kalte Hände habt.


Lange Rede, kurzer Sinn. Die Nummer mit dem Weißbier hat tatsächlich funktioniert. Mit einer Einschränkung. Ich HASSE Weißbier, aber das war mir damals egal.


Ein paar Jahre später – diesmal wurde ich als Privatpatient in der Notaufnahme vorstellig – kam ich erst mal an den Schmerzmitteltropf. Danach gab's Kochsalzlösung IV – also eigentlich nur eine, die aber intravenös, um möglichen Missverständnissen bei den Lateinern unter uns vorzubeugen – und danach wieder Schmerzmittel ... und dann wieder Kochsalzlösung ... und Schmerzmittel ... bis der Stein nach einem Tag abging.


Und nachdem ich Letzteren mit entsprechend warmen Händen stolz der Schwester präsentiert hatte, bekam ich zur Belohnung noch mal zwei Tage Kochsalzlösung ... IV ... und fünf Adel Wasser "zur Sicherheit". Und für alle Leser, die auf dem Gebiet des Nierensteins weniger bewandert sind: ein Adel entspricht 12 Holznern, also etwa einer Kiste Mineralwasser. Interessanterweise – das allerdings wirklich nur am Rande – bilden für den gemeinen Nierenpatienten auch jeweils 12 Franken einen Brunnen, aber wenn ich meinen Sozialhelfer recht verstehe, treibt mein nephrisches Schmerzgedächtnis gerade Schindluder mit meinem rechten Humorlappen und ich schweife ab.


Jedenfalls wurde auf Schmerzmittel fortan großzügig verzichtet, weil das Geröll ja längst die letzten 8,6 cm seines Weges zurückgelegt hatte (um den für deutsche Nierenpatienten männlichen Geschlechts offiziellen Durchschnittswert zu verwenden).


Dass ich mich von meinem behandelnden Arzt damals habe einschüchtern lassen und einen der letzten Nikolausbesuche bei meinen Kindern verpasst habe, weil ich für nichts und wieder nichts zwei zusätzliche Tage "zur Beobachtung" in der Klinik lag, ärgert mich allerdings bis heute.


Womit wir auch schon wieder beim Thema wären ... dem Heute, aber welchen Verlauf meine aktuellste Nierenodyssee genommen hat, verrate ich euch erst nächste Woche ... oder übernächste, falls etwas dazwischenkommt ...

Was hat ein inkontinenter Nephrolithiasis-Patient im Optimalfall? Einen Stein im Bett. Quelle: Shutterstock


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