Der Tod des Klischees II
- Milaidin
- 16. Aug. 2019
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Aug. 2019
Das Thema Italiener und Toleranz habe ich vorgestern ja schon zu Grabe getragen. Schwamm drüber, dachte ich mir. Spießer gibt es überall und seine Nachbarn kann man sich im Urlaub schließlich nicht aussuchen – sofern man nicht mit seinem kompletten Dorf zum Campen nach Jesolo fährt.
Vor drei Tagen sind dann aber neue (ebenfalls italienische) Nachbarn ins Nebenhaus eingezogen. Angekommen sind sie irgendwann in der Nacht gegen zehn. Um halb elf waren sie dann mit gefühlten 20 Kindern gröhlend im Pool und hatten einen Wahnsinnsspaß. Und wir zum Glück unsere Ohrenschützer aus dem Baumarkt – die braucht meine Freundin angeblich ohnehin, um ob meines Scharchens schlafen zu können.
Aber wie gesagt, ich bin im Urlaub, wozu also aufregen? Sollen sie halt machen. Wir waren eh noch wach und springen auch ab und an um Mitternacht noch in den Pool. Außerdem hatten sie gegen halb 3 dann ja auch schon genug.
Am Dienstag haben wir uns dann mit Freunden auf der Terrasse versammelt, um uns die erste Runde des DFB-Pokals anzusehen. Cottbus gegen Bayern. Langweilig ohne Ende und entsprechend ruhig vor dem heimischen Empfängnisgerät. Dummerweise hatten wir vor dem Spiel das Ergebnis getippt und vereinbart, den richtig liegenden Tipper mitsamt Kleidung nach dem Spiel in den Pool zu werfen.
Meine Freudin hatte 3:1 für Bayern getippt ... ein Spaß und ab ins Wasser. Kurzes Kreischen und Gelächter um 22:30, als sich alle gegenseitig in den Pool geschubst haben. Hach, ist das mitunter spaßig im Urlaub ...
Um 22:31 stand dann unser badefreudiger Nachbar vom Vortag am Gartentor ...
"Do you speakä English", fragt er mich. "Couldä you pleasä tonä downä your voicä, becausä we likä to sleepä now?" Bitte? Hat es diesem Hilfsrömer als Baby in den Kinderwagen gehagelt oder ist er sauer, weil Cottbus verloren hat?
Vielleicht ist er aber auch nur müde, weil er uns gestern zwanghaft bis spätnachts mit seinem Poolgeschrei nerven musste. "Alles klar", verspreche ich dem Fernandelgesicht am Gartentor. "Wir machen ein bisschen leiser."
Unmittelbar nach dieser neuerlichen Deeskalation meinerseits frage ich mich allerdings ernsthaft, ob dem leidlich witzigen Komiker entgangen ist, dass am Strand in etwa 150 Metern Entfernung gerade eine Metal-Band die ganze Insel mit griffigem Gitarrenrock beschallt.
Tja, aber so ist er halt, der tiefenentspannte, mit einer ausgeprägten selektiven Wahrnehmung ausgestattete, Südländer ...
Immerhin hatte er den Anstand, uns nicht wieder den dicken Kindergarten-Cop an den Hals zu hetzen. Lebensfreude und Tiefenentspanntheit liegen trotzdem seit Dienstag neben der Toleranz in der örtlichen Klischeekrypta. Mögen sie dort in Frieden ruhen ...
Bleibt nur noch abzuwarten, ob der Italiener wenigstens das Klischee, faul zu sein, erfüllt. Ich bin diesbezüglich guten Mutes ...

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